Das Ried — Archē und Archive
Eine künstlerische Landschaftsforschung
Ausstellung im Naturschutzzentrum Wilhelmsdorf
März—April 2024
März—April 2024
Datum und Ort
Ausstellung: 02.03. — 05.05.2024
Vernissage & Vortrag: Fr 08.03.2024 ab 19h
Finissage: Sa 04.05.2024 14—17h
Naturschutzzentrum Wilhelmsdorf
Riedweg 3-5 88271 Wilhelmsdorf
Riedweg 3-5 88271 Wilhelmsdorf
Beschreibung
Die Ausstellung „Das Ried. Archē and Archives in a Bog between Borders (Ursprungsmomente und Archive in einem Moor zwischen den Welten)”, erkundet das Moorgebiet „Pfrunger-Burgweiler Ried“ und sucht nach dessen Bedeutung als organisches Archiv der Torfe, der Biodiversität und Eiszeitrelikte, der sich hier überlagernden Kultur- und Naturgeschichte und nicht zuletzt auch als Archiv eigener Biografie und Erinnerungswelten. Die Ausstellung umfasst spekulative Zeichnungen und Pläne, Landkarten, Fotografien, Modelle sowie den sogenannten Field-Atlas und soll neue Perspektiven auf die Riedlandschaft eröffnen und BesucherInnen dazu einladen gemeinsam über die Beziehung zwischen Mensch und Moor zu diskutieren. Das Projekt unterstreicht dabei die Bedeutung von Mooren und Feuchtgebieten nicht nur als Kohlenstoffsenken und Biodiversitätsspeicher, sondern auch als performative Felder, Erinnerungsarchitekturen und nicht zuletzt als Spiegel unserer Zivilisation.
Förderung
Das Projekt ist gefördert durch das österreichische Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, Sektion IV – Kunst und Kultur im Rahmen des Start-Stipendium Architektur 2023.
Thesis
Die Thesis erforscht das Moorgebiet „Pfrunger-Burgweiler Ried“ und fragt nach dessen Bedeutung als organisches Archiv der Torfe (als Akkumulation materialisierter Vergangenheit), der Biodiversität und Eiszeitrelikte, der sich hier überlagernden Kultur- und Naturgeschichte und nicht zuletzt auch als Archiv eigener Biografie und Erinnerungswelten. Die Arbeit erforscht inwiefern die Geologie eines Ortes, seine ökologische Geschichte, seine geheimnisvolle, düstere Ästhetik und die natürlich gewachsenen und kulturell überformten Torfkörper miteinander verwoben sind und wo sich narrative Bruchstellen in der Landschaft — und nicht zuletzt auch in der eigenen Geschichte — finden lassen.Das Projekt begann zunächst mit dem Sammeln von Eindrücken, Skizzen, wissenschaftlicher Recherche und der Kartierung der formativen sowie metaphorischen Dimensionen des Moores und begab sich von da an auf die Spurensuche nach der Archē — dem Moment eines Ursprungs und hier der Beginn einer möglichen Erzählung des Rieds. Welche Körper, Kräfte, Zeitlichkeiten, Materien und Kreaturen mussten einst zusammenwirken, um eine solche Landschaft hervorzubringen? Wie wirkten sich die Eingriffe des Menschen aus – angefangen bei den frühzeitlichen Pfahlbausiedlungen an den Ufern des längst verschwunden Ursees, über die Urbarmachung, Trockenlegung und dem industriellen Torfabbau bis hin zu heutigen ‚Renaturierungsmaßnahmen‘ und einer angestrebten Wiedervernässung? Die Feldforschung im Moor führt durch vage Erinnerungen an die eigene Waldkindergartenzeit in den südlich gelegenen Moorwäldern und tief in die kalte Vorgeschichte der Landschaft im eiszeitlich geprägten nördlichen Alpenvorland bis hin zum metaphorischen Ursprung im Ursee und dessen Jahrtausend währende Verwandlung in ein ausgedehntes Moorland. Von da an konfrontiert das Projekt die voranschreitende Ausbeutung und Transformation zur Kulturlandschaft, die Brüche, Narben und Relikte in den Torfkörpern hinterlassen haben, welche die unheilvollen Verstrickungen von Mensch, Umwelt und Klima an den Grenzbereichen des Anthropozäns beleuchten — aber auch Spekulationen und Strategien für unsere zukünftige Beziehung zu unserer Um- und Mitwelt eröffnen.Nach einer näheren Betrachtung und Kartierung der liminalen Phänomene, Milieus, Tendenzen und unterschiedlichen Zeitlichkeiten sowie der biografischen Knotenpunkte um und im Moor selbst, behandelt das Projekt das Ried zunehmend als ein diffuses, performatives Feld, in dem sich kulturelle und natürliche Prozesse verweben und deren Grenzen sich zuweilen in der Unschärfe des Nebels auflösen. Um sich solch diffusen Feldern anzunähern, wurde der Streifzug („Foray“) – sowohl physisch auf dem feuchten Moorboden als auch virtuell im weiten Feld des Unterbewusstseins und der Erinnerung, sowie im Prozess des Zeichnens, Schreibens und Sammelns – als Schlüsselmethode des Erforschens und Erzählens verstanden. Im Laufe des Projekts verwandelte sich dadurch das Motiv ‚Moor‘ zunehmend zu einer Metapher für die Arbeit selbst – ein anwachsendes Archiv von Gedanken, Quellen und Notizen, in dem mitunter Einträge verloren gehen und wieder neu entdeckt werden müssen. ‘Das Ried’ bezieht sich fortan nicht mehr nur auf den geografischen Ort, sondern wird als ein konzeptioneller Zustand der Akkumulation, des Vergessens und Erinnerns gedacht. Der Atlas wird dabei als ‚Field-kit‘ (Feldausrüstung) verstanden, um sowohl die Weiten des Rieds selbst als auch die metaphorischen Weiten der kartografischen Archive und der eigenen ‚inner landscapes‘ zu erkunden. Die Arbeit experimentiert damit, inwieweit subjektives Kartieren, Sammeln und Nacherzählen die Möglichkeit birgt, einen Gedankenraum zu erschaffen, der sich zwar auf einen realen Ort bezieht, aber auch selbst zu einer eigenständigen Landschaft werden kann.Das Projekt versteht sich als diskursive Positionierung im Spannungsfeld zwischen Architektur, Ökologie und künstlerischer Landschaftsforschung und experimentiert mit den erzählerischen Möglichkeiten einer architektonischen Analyse unserer Umwelten und der narrativen Verknüpfung von Geologie, Moorforschung, Kulturgeschichte, Klimawandel, Baukultur und Biografie.
Person
Ferdinand Klopfer (*1992) wuchs in Ruschweiler auf und besuchte bereits in der ersten Generation den Waldkindergarten Wilhelmsdorf e.V. in den südlichen Moorwäldern des Pfrunger-Burgweiler Rieds. In seinem Masterstudium der Architektur an der Akademie der bildenden Künste, Wien, setzte er sich intensiv mit den Themen Landschaft, Architektur und Ökologie auseinander, und kehrte im Rahmen seiner Master-Thesis (2021-23) schließlich zurück an seinen Heimatort, um in einer umfassenden Arbeit die Zusammenhänge zwischen Landschaft und eigener Lebenswelt zu erforschen. Zur Zeit arbeitet er selbstständig im Bereich Architekturgestaltung und Grafikdesign sowie an verschiedenen Kunstprojekten und Ausstellungen.